Ein Blick auf den Pazifik

Dienstag, 16. August 2011

Retorno a la alegría oder „Zurück zum Glück“

Ein Nachtrag über die humanitäre Hilfsarbeit nach den mittelschweren Naturkatastophen im November 2010.








Raindrops are falling on my head…

San José, Dienstag, 02.11.10, 8.47 Uhr. Auf dem Weg zum Büro. Es nieselt.
                                                    13.04 Uhr.  Mittagspause. Es regnet in Strömen.
                                                    17.19 Uhr. Heimweg, es tropft leicht.
                                                    23.31 Uhr. Kurz aufgewacht. Es regnet wieder stärker.

San José, Mittwoch, 03.11.10, 8.42 Uhr. Hinweg. Es regnet, ich jogge, um nicht allzu
                                                                         lang im Regen zu sein.
                                                   10.26 Uhr. Am Schreibtisch im Büro. Es regnet so stark,                                                                                        dass man schon fast schreien muss, um sich
                                                                       zu unterhalten und dabei das Geräusch der
                                                                       auf das Blechdach herunterprasselnden
                                                                       Regentropfen zu übertönen.
                                                  14.05 Uhr. Geschirrabwasch. Es hagelt! In den Tropen!
                                                  17.38 Uhr. Zurück im Haus. Klatschnass.

San José, Donnerstag, 04.11.10 und Freitag, 05.11.10. Ob während der Arbeitszeit
                                                                       ein Blick aus dem Fenster, unterwegs oder
                                                                       nachts in die Ruhe lauschend: es regnet.

Erdrutsche, Überschwemmungen und (Möchtegern-)Helden

Es ist keine Übertreibung, ich glaube es hat vier Tage lang nonstop geregnet. Folge waren in verschiedenen Teilen des Landes Erdrutsche und Überschwemmungen. Infolge dessen gab es zum Glück kaum Tote und Verletzte, aber der Sachschaden war immens. Mehrere Straßen stürzten an Hangabschnitten ein (bei einigen sind heute noch Risse zu sehen), Häuser wurden begraben oder überschwemmt und Nahe einer Stadt namens Parrita wurde gleich eine ganze Brücke weggespült. In einem Ort namens Asserí gab es sogar eine kleine Heldengeschichte: den Erdrutsch kommen sehend, weckte eine Person nachts bedrohte Teile des Ortes auf. Später behaupten mindestens fünf verschiedene Menschen jene Heldenrolle für sich.

Hilfe, Solidarität und echte Helden

Trotz allen Engagements auf täglicher Basis, ist der Bereich der humanitären Hilfe wohl DAS Spezialgebiet des Roten Kreuzes. Für die Bedürfnisse nach Ereignissen dieser Art war man gut aufgestellt. Gelagerte Vorräte wurden sofort an Menschen in Notunterkünften gebracht, die ihre Häuser wegen der Schäden und wegen Risiken verlassen mussten. Neue wurden schnell herbeigeschafft. An verschiedenen Punkten wurden Spendensammelstellen eingerichtet. Interessanterweise ist das Spendenverhalten der Ticos ganz anders als das der Deutschen. Während die Deutschen lieber an Notfallkonten der verschiedenen humanitären Organisationen Geld überweisen, gibt man hier vor Ort vor allem Sachspenden. So konnte ich an einer besagten Sammelstelle miterleben, was die Menschen alles spenden, und zwar alles, was man zum überleben braucht: ein Familienvater spendet einen Wochenendeinkauf an Lebensmitteln, eine Alleinerziehende Mutter spendet Windeln und Tampons, ein Kleinhändler spendet 90kg (!) Reis, ein Yuppie spendet Altkleider….. Plötzlich hält ein kleiner LKW: ein Mittelständler hat sich entschlossen 100 Matratzen (!) zur Verfügung zu stellen.
Der deutsche Leser mag sich vielleicht fragen, ob das eigentlich effizient ist mit den Sachspenden. Die Frage ist absolut berechtigt, aber für die spendenden Menschen ist es auf emotionaler Ebene wohl einfach schöner, etwas Handfestes zu verschenken.
In einer zentralen Lagerhalle wurden die Güter dann gezählt, geordnet und in die betroffenen Regionen gebracht.

Zurück zum Glück

Für die Menschen, die zeitweise in den Notunterkünften lebten, hat das Jugendrotkreuz in Kooperation mit UNICEF ein ganz besonderes Programm: „Retorno a la algegría“, auf deutsch „Zurück zum Glück“.
Die Notunterkünfte waren meist Schulsporthallen oder Kirchengemeinderäume, bewacht und verwalten von einem staatlichen Ordnungshüter. Jeder der Bewohner bekam eine Schaumstoffmatratze, Decke und gute Basisversorgung an Lebensmitteln, biologisches Überleben gesichert, zivilrechtliche Ordnung aufrecht erhalten.
„Retorno a la alegría“ hatte das Ziel, neben Versorgung auch etwas Freude in die Unterkünfte zu bringen. Langweile, Beschäftigungslosigkeit und mangelnde Privatsphäre drücken nämlich sehr auf die Moral. Zielgruppe waren vor allem Kinder. Verschiedene Teams des JRK zogen also in verschiedene Herbergen und veranstalteten dort Spiele, es wurde gesungen, Zeichenmaterial wurde ausgeteilt, Gesichter wurden mit beschminkt, aus Luftballons bastelten wir Spielzeugtiere und am Ende führten wir ein Handpuppentheaterstück auf. Finanziert von UNICEF, durchgeführt vom JRK.

Was auf mich persönlich einen großen Eindruck hinterlassen hat, war der Stimmungsunterschied zwischen Ankunft und Abfahrt. Konnten wir die Langeweile der Menschen und ihre Skepsis uns gegenüber bei Ankunft deutlich spüren, waren am Ende sogar viele Erwachsene bei den Aktivitäten involviert und die meisten wollten uns bei Abfahrt nicht gehen lassen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen