Ein Blick auf den Pazifik

Mittwoch, 3. August 2011

Serie "Typisch Tico", Teil 2: die costa-ricanische Stadt


In den neun Monaten habe ich nun schon sehr viele costa-ricanische Städte gesehen. Was sehr interessant ist: sie sind alle sehr ähnlich konzipiert, so habe ich mal eine stereotypische costa-ricanische Stadt entworfen.

San Isidro ≠ Dresden

Die Unterschiede zur europäischen/deutschen Stadt sind sofort offensichtlich: die hiesige Stadt wurde durch die Kolonisten am Reisbrett entworfen und ist daher im Quadrat-Blocksystem angeordnet. Es gibt also nicht wie in den meisten europäischen Städten einen geschichtlichen Ortskern, um den sich die restliche Stadt, sich selbst entwickelte, der Ortskern in Costa Rica ist fast immer „künstlich“. Der zweite große Unterschied ist, dass, ungleich europäischer Orte, die Städte hier nie direkt am Fluss gebaut sind. Dass der Fluss wie in London, Paris, Köln, Budapest, Wien, Frankfurt oder Rom sogar die Stadt mittig durchquert und daher immer im Zentrum liegt, gibt es hier überhaupt nicht. Im Gegenteil: blickt man auf Stadtpläne, bekommt man das Gefühl, der Fluss sei bei der Stadtplanung ein lästiges Hindernis.

Verlaufen ist ein Kunststück

Da die Städte fast immer das gleiche Schema aufweisen, kann man sich eigentlich nur in San José verlaufen. Die restlichen Städte sind dafür einfach nicht groß genug.

In der Mitte eines fast jeden Ortes ist eine Kirche mit einem gegenüberliegenden Park, in dessen Mitte wiederum ein kleiner Pavillon ist. In allen Städten ist der Park ein beliebter Aufenthaltsort bis tief in die Nacht. In San José ist er entweder ein Treffpunkt für diejenigen, die gerne mehlähnliches Pulver oder grüne Pollen austauschen oder er ist ein Schlafplatz für Obdachlose.
Rundherum gibt es Filialen der staatlichen Banken, die privaten Banken sind hier nicht so stark. Busse warten an einem Ende des Parks und Taxis patrouillieren den Block um den Park und hupen und blenden die Passanten an, in der Hoffnung, so die Menschen zum einsteigen zu begeistern…
Irgendwo findet man einen Supermarkt, vor dem Taxifahrer auf ihre Beute lauern. In der guten Hauptstadt wird man immer mal wieder gefragt, ob man Geld hat.

Etwa einen Block vom Park weiter befindet sich das örtliche Rotkreuzkomitee. Manchmal stundenlang beschäftigungslose Sanitäter und Fahrer warten auf ihren Einsatz.

Eine Geschäftsgattung, die in Deutschland so gut wie ausgestorben ist, ist die „Pulpería“, der Kiosk, der 6-100m² groß sein kann. Man findet ihn überall und einmal angekommen findet man alles: von Zigaretten über Schokolade, Obst, Coca-Cola, Deo, Zeitung, Zahnpasta bis hin zu Bier.

Das Bier nach vier

Die Ticos sind passionierte Biertrinker, nach Kneipen muss man nicht suchen, man wird von Ihnen gefunden. In den Kneipen kann man auf LCD-Flachbildschirmen in bester Qualität Fußball an wackeligen Billigtischen schauen, geht man auf die Toilette, stellt man fest, dass die Straße theoretisch sauberer wäre. Die Musik ist so laut, dass man sich nicht genötigt fühlen muss, sich zu unterhalten, man kann sich ganz seinem Getränk widmen.
Einmal ausgetrunken und Richtung Heimweg, wird man dann schon wieder bedrängt. Wahlweise von gepflegten Männern mittleren Alters, die alle „Taxi“, „Taxiiii“ oder „Taaaaxi“ rufen oder von ungepflegten Männern mittleren Alters, die „Münze?“, „Hundert?“ oder „Tausend?“ fragen.

Irgendwie sind die Städte alle gleich, die Kleinstädte aber recht gemütlich. Als Rentner könnte ich mich da schon festpflanzen. Für mich hätte San José ab einem Alter von 40 außer der zentralen Lage keinen Reiz mehr. So geht es wohl vielen, doch wirtschaftlich zwingt es viele dorthin. Außer Kneipen, Kioske, Bankfilialen und dem Supermarkt, frage ich mich bei so einigen Kleinstädten, ob es da eigentlich auch größere Arbeitgeber gibt.

Stadtnamen

Was die Namensgebung betrifft, schaut man als Ausländer bei einigen Ortsnamen gerne zweimal hin, kein Wunder bei den Namen: Atenas (Athen), Grecia (Griechenland), Cartago, Liberia, Guadalupe, Rohrmoser, Coca-Cola, Leon XIII (vielleicht nach einem Papst benannst), Los Angeles, San Francisco, Buenos Aires, Venecia (Venedig), La Suiza (die Schweiz), Londres (London)…

In Anspielung auf meinen Heimatort nenne ich meine fiktive Stadt daher mal: Sodenia.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen